Nach dem Nachtessen, das ich in der gut ausgerüsteten Küche gekocht habe, setze ich mich noch eine Weile vor die Hütte und geniesse die Aussicht auf das weit unter mir liegende Anjavastal. Die knapp fünfzehn gewanderten Kilometer heute waren eine mittellange Etappe, hatten aber eine grosse Steigung am Schluss. Ich bin entsprechend müde und lege mich in mein Bett, welches mit nordischen Duvets ausgerüstet ist. So brauche ich nur einen dünnen Hüttenschlafsack aus Seide. Am nächsten Morgen verraten mir die Wanderstöcke bei der zweiten Hütte, dass da doch noch jemand zu später Stunde gekommen ist. Nach dem Frühstück räume ich die Hütte auf, hole draussen etwas Feuerholz und fülle die Wassereimer am nahegelegenen kleinen Bach. Gut möglich, dass der nächste Gast bei miserablen Wetterverhältnissen in die Hütte kommt und kaum Lust hat, nochmals rauszugehen, Wasser zu holen oder Brennholz zu spalten. Ehrensache! Natürlich habe ich mich in das Hüttenbuch eingetragen, mit Name, Adresse und Besuchsnummer und einem Hinweis, wohin mich mein Weg am nächsten Tag hinführt. Falls jemand vermisst wird, hat die Rettung so zumindest ein Indiz, in welcher Region könnte. Die Übernachtung bezahle ich dann von zu Hause aus online, aber ich könnte hier auch eine Kreditkartenbevollmächtigung ausfüllen, welche der Hüttenwart regelmässig abholt. aufhalten jemand sich Doch was heisst Fernwandern? Eine klare Definition gibt es nicht, jedoch sind damit tendenziell längere Wanderungen (mehrere Tage oder länger) gemeint und eher solche, die von A nach B führen (keine Rundwanderungen). Natürlich muss es nicht gerade eine Kontinents- oder Länderdurchquerung sein, muss es nicht zwei, drei Monate dauern. Fernwandern hat keine Bedienungsanleitung, Fernwandern ist einzig und allein der Fantasie des Menschen unterworfen. zu deiner Haustüre Fernwandern kann man überall und ist sofort (falls man sich die Zeit nehmen will) durchführbar! Hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, wie es wäre, mit einem gepackten Rucksack einfach draufloszulaufen, keine Ahnung wohin dass es geht, nur begrenzt durch den Zeitrahmen von z.B. einer oder zwei Wochen? «Wie weit geht es? Wohin komme ich? Was erlebe ich alles?» Viele spannende Fragen, die Tag für Tag zu einem Teil beantwortet werden können, wenn man sich denn auf den Weg macht. rauszugehen, Norwegen als Wanderparadies Zugegeben, hochsommerliche Temperaturen wird es nicht unbedingt geben, es hat im Sommer auch nervige Mücken und ab und zu verlangt die Natur alles an Energie ab, um das Ziel zu erreichen! Doch kaum ein anderes Land bietet dermassen Mein Weiterweg ebensolchen, aber moderneren Hütte, der Dærtahütte. führt mich nun 24 Kilometer zu einer Fernwandern – ein absoluter Trend auch deutschen Sprachraum Das Fernwandern hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich verändert und ist sehr populär geworden. Die Vorstellung, den Rucksack auf den Rücken zu nehmen und einfach der Nase nach zu gehen, bis man entweder ein Ziel erreicht hat, oder schlicht das gesetzte Zeitfenster zu Ende geht, fasziniert mittlerweile sämtliche Bevölkerungsschichten. Sicherlich hat im Kerkelings «Couchpotato-Outing» (Ich bin dann mal weg) mitgeholfen, dass sich Menschen plötzlich dafür interessieren, nicht nur ein oder zwei Tage mit Rucksack unterwegs zu sein, sondern vielleicht mal eine Woche, einen Monat oder sogar noch länger. Und dies möglichst autark, mit Zelt und Schlafsack, ab und zu mal in einer Herberge und im Rucksack nur das absolute Minimum, was man zum Leben braucht. Viele haben sich in den letzten Jahren diesen Traum von der Auszeit in der Natur erfüllt, haben sich auf Pilgerwege gemacht, sind quer durch Europa gelaufen oder haben sich gleich an die 5000 Kilometer (Pacific Crest Trail) durch ganz Amerika gewagt. Hape TRAVELIKI.COM | #2 - 12/2021 | SEITE 14